Im Juni 2015

  Innerer runder Tisch
  Im Winter war mir bange vor den vielen Ziegeln, die wir an vielen Sonnabenden noch machen wollten. Ich verhandelte mit mir, unter welchen Bedingungen ich das Projekt fortsetzen kann. Mit an meinem inneren runden Tisch saß 1. der Projektleiter, der keinesfalls Animateur sein will, 2. der Handwerker, der gerne Neues entwickelt, aber ungern öfters das gleiche macht, als 3. der Diplomat, der gerne auch mal wütend wird, und 4. der Künstler, der gerade gar nicht weiß, was das mit ihm zu tun hat.

Ersterer stellt fest, dass das Projekt ein Angebot ist, um sich handwerklich und symbolisch auf das gemeinschaftliche Problem der Ausgrenzung einzulassen. Wenn mehrere Menschen Einfluss nehmen, haben wir ein Gemeinschaftsprojekt. Die Arbeit geht so voran, wie sich beteiligt wird. Alleine mache ich keinen Handschlag.
Der zweite macht den Vorschlag, da die Ziegelfertigung eingespielt ist, könne sie aus dem Kreis der „Eingeweihten" eigenverantwortlich weitergeführt werden. Dann könnte ich mich schon mit Aschegrube und Feuerrost beschäftigen. Hilmar besteht allerdings auf meiner Anleitung.
Der dritte wägt ab, ob ich mit meiner Einschätzung richtig liege, dass das Projekt gebraucht wird, oder ob ich es herbeizureden versuche. Das entscheidet sich jeden Sonnabend durch Eure Beteiligung. Wenn sich niemand anmeldet, dann will ich dort nicht verloren warten. „Und ist nur einer unter Euch, der arbeiten will, so werde auch ich da sein."
Also, gib mir jeweils bis Freitagabend Bescheid!
Damit löse ich meine Tischrunde auf, jeder, der wollte, ist zu Wort gekommen und die letzten Sonnabende haben mir doch wieder Spaß gemacht – ein besonderer Ort, besonnene Mitarbeiter und eine sonderbare Arbeit.

 

  Wildnis wagen
  Der Bauplatz des Schmoeler Hexensteins hat sich mit der Kraft des Frühjahrs in eine Wildnis der Unordnung verwandelt. Dort, wo wir die Pflanzen bestaunen und ernten wollen, heißen wir sie Kräuter, einige Meter daneben, auf den Wegen, nennen wir dieselben Unkräuter. Im ersten Eifer des Monats Mai fiel unbedacht alles der Motorsense zum Opfer.
Bei der Besprechung zur Baumbepflanzung im Herbst 2014 haben wir den Wunsch formuliert, eine Balance zwischen der von uns gestalteten Struktur und der freien Entfaltung der pflanzlichen Charaktere entstehen zu lassen. Der Bauplatz ist umgeben von Ackerflächen des Guts. Da wächst die Gerste und sowohl der Weizen als auch der Mohn sind dort Unkraut. Wir weisen den Pflanzen ihren Ort zu: dem Acker das Getreide und dem Knick lassen wir das ungewollte Kraut. Damit zollen wir auch diesem Kraut Respekt. Es ist kein Feind, den wir auslöschen wollen. Ein quantitativer Reichtum an Getreide steht im Verhältnis zur Qualität des Artenreichtums.
Im Garten freuen wir uns über die verschiedenen Arten, die im Jahreslauf nach und nach ihre farbigen Blüten zeigen und somit unsere Aufmerksamkeit in verschiedene Richtungen lenken. In den Momenten, wenn unscheinbare Pflanzen sich einmal im Jahr in voller Kraft und Pracht präsentieren, lacht mein Herz.
Ich denke, dass der Hexenstein auch dafür steht, dass wir Ungewolltes respektieren und akzeptieren. Als Landwirt oder Gärtner, beruflich oder privat, muss uns bewusst sein, dass die gründliche Reinhaltung die Verminderung der Vielfalt bedeutet. Auf dass wir Menschen uns auch nicht als effiziente Monokultur definieren! Wildnis wie auch freie Entfaltung können verunsichern und wollen gewagt werden, denn Ordnung ist nur die halbe Miete. Perfekt bedeutet vollendet. Die Vollendung des Lebens ist der Tod. Deshalb: En beten scheef het gott lev.

 

  Zum Tod von Gabriele Butzke
  Ich trauere um die Journalistin Gabriele Butzke. Sie ist in der Nacht zum 15. Mai gestorben. Ich habe sie vor fünf Jahren für zwei Stunden kennengelernt, als sie das junge Projekt des Hexensteins für den Probsteier Herold recherchierte. Das war ein Moment der Nähe, der von der Tragik der Historie und unser beider Aufbegehren gegen die Ohnmacht in dieser menschlich-unmenschlichen Farce angefeuert wurde. Sie erzählte von ihren Nachforschungen zu den Schönberger Hexenprozessen von 1666 gegen 22 jugendliche Frauen. Diese Geschichte war für sie so unfassbar, dass sie mehrfach unter Weinkrämpfen vom Schreiben abgelassen hatte.
Jetzt, in der Preetzer Arbeitsgruppe SPURENSUCHE, hatte sie sich für den Mai angekündigt, um von ihrem Forschungsstand zu den damaligen Ereignissen zu berichten. Es wurde kein Wiedersehen – kein Buch von ihr. Ich denke an sie. Friede ihrem Herzen.

 

Jan Koberstein, Tel. 0 43 81 / 91 90 29

 

© 2013 Hexenstein Schmoel