Bekenntnisse

von Jan Koberstein
14. Februar 2017


I.
Ich gehe gerne in der Weihnachts- und Osternacht in den Gottesdienst, erst dunkel, dann golden reflektiertes Öl-Lampenlicht. Aufmerksam genieße ich, die Zeit erlischt und der Raum schweigt, alles ist eins und ich bin dabei.
In einer Weihnachtsmette in der Giekauer Kirche imaginierte Pastor Suckow uns in seiner Predigt, Jesus sei jetzt in Plön unterwegs. Später gab er Zwischenbericht, Jesus sei nun in Selent – auf dem Weg zu uns hierher. Wow, was für eine Vorstellung, er hat die schöne Strecke über Lebrade genommen… Nun sei er schon am Seekrug. Ups. Mein Herz pochte, wirklich vorstellbar, dass er käme? Ich saß dicht beim Eingang und als Suckow ihn draußen vor der Kirchentür meinte, „Ich muss ihm jetzt die Tür öffnen“, schoss es mir schweißnass durch den Kopf, „zwei Schritte bis zum Türdrücker“. Der steht ja nicht wirklich draußen, aber wenn jetzt die Tür knarzen würde, käme es da zu Herzinfarkten? Könnten wir den Verherrlichten überhaupt erkennen: „Bist Du es?“ – Kurz, ich hatte nicht den Mut, so vor der Gemeinde zu stehen. Was würde ich auslösen, vielleicht nur Hohn über solche Geschmacklosigkeit?
Es bleibt zwischen Jesus und mir eine unabgeschlossene Tür und eine offene Geschichte.

 

II.
Mit 14 Jahren lernte ich das Glaubensbekenntnis auswendig und wunderte mich über den ausschweifenden Inhalt. Es war damals sicher einer der kleineren Gründe, mich nicht konfirmieren zu lassen.
Beim Besuch eines Gottesdienstes erwarte ich jetzt immer mit neugierigem Grausen diesen Moment, in dem ich schweigend in der vielstimmigen Woge der Gemeinsamkeit stehe. Ich empfinde das Glaubensbekenntnis wie einen Knebelvertrag: Wer hat diesen Text nur formuliert, bei dem der Glaube weit hinter meiner Gewissheit zurückbleibt? Ich glaube nicht an die Heiligkeit der christlichen Kirche, denn sie ist auch ein Unternehmen, das seine Schafe beisammenhalten will und um die weltliche Macht ringt. Es ist perfide, die Spiritualität mit Folgsamkeit zur Kirche zu verknüpfen. War das Glaubensbekenntnis denn nicht reformbedürftig? Wird auf Pontius Pilatus und Jesu Kreuzigung und Auferstehung so herumgeritten, damit ich mich schuldbeladen und gedemütigt fühle vor der Anhäufung Gottes fürchterlicher Macht? Warum wird nicht von der Ermächtigung, meinen eigenen Vertrag abzuschließen, und von meiner Erfüllung, zu der mich Jesus verleitet, gesprochen? Daran glaube ich.

 

III.
Die Inspiration ist das Metier des freien Künstlers. Mir ist der Geist heilig und sehr nahe. Er ist überraschend und impulsiv, manchmal wankelmütig und überbordend, also zutiefst vertrauenswürdig. All die Ideen und Geistesblitze sind nur Vorboten, erst beim Hineinhorchen und tiefen Zustimmen werden wir eins. Wir sind ein mächtiges Duo, das seit Jahren das Zusammenspiel übt und am Hexenstein wächst.
Unbekannte Menschen tauchen auf, wechseln, verschwinden wieder und bilden eine imaginierte Gemeinschaft. Auch bei einer freundschaftlichen Nähe bleibt der Respekt vor der Eigentümlichkeit des anderen. Die Gemeinsamkeit ist ein labiles Pflänzchen, die weder Einheit fordert noch Abgrenzung verträgt.
Unsere sonnabendliche Arbeit verlasse ich meist mit Dank, aber an wen eigentlich? Welchen Gewinn erwarte ich? Wir beginnen ein Kunstwerk und finden uns als KünstlerInnen wieder. Ja, zur Verwandlung soll der Hexenstein taugen. Befreiung und Erlösung am Hexenthema ist mir zu kurz gegriffen. Was ich will, ist der Einzug einer Welt an unserem Bauplatz, in der sich eine andere Realität zeigt, in der ich Wunder wie reife rote Kirschen pflücke, falls mir danach ist. Ich möchte im Gewusel dieser Tage den spirit zulassen, den Geist atmen.

© 2013 Hexenstein Schmoel